Rubrik „Wo sie blieben, was sie trieben“

Rubrik „Wo sie blieben, was sie trieben“

Didi beim Zuspiel für Dirk Rykena

Didi Döhlen, der Verleger
Max und Hoddel erinnern an Dieter Westermann

Einer der großen ASV-Altvorderen stammte in den Achtzigern aus der Faustballkaderschmiede Döhlen, einem kleinen, entlegenen Ort miit legendärem zweitägigen Faustballturnier und Holschenball. Man munkelt, jene Holschen seien dort damals auch das bevorzugte Faustballschuhwerk gewesen und hätten den Ruhm der Metropole Döhlen wesentlich mitbegründet.
Wie dem auch sei – nach einem kurzen Fußballintermezzo in Huntlosen fand dieser Jungdöhler namens Didi Westermann mehr Freude daran, den Ball mit dem Arm zu traktieren. Man überantwortete ihm auf dem Faustballfeld die zentrale Position des Zuspielers, doch glänzte er eher durch Verlegen als Vorlegen, was seine Angreifer stets in die Verzweiflung trieb.
Den Alkoholkonsum verweigerte er zunächst konsequent oder reduzierte ihn zumindest auf niedrigstes Alsterwasser-Niveau, doch anlässlich des Österreichischen Turnfestes in Salzburg fand er den Zugang zu mächtigeren Hopfen- und Malzrationen beim legendären “Doktorwirt”. Flugs verloren mit zunehmendem Zielwasserkonsum auch seine Zuspiele an unberechenbarer Breitenstreuung, und Didi wechselte zum ASV.
Die erfolgreichste Zeit seines Verlegerlebens begann und gipfelte im Hallen-DM-Silber von Esslingen 1983, als er zum besten Mittelmann Deutschlands gewählt wurde, und kurz darauf in Bocholt mit dem Deutschen Freiluftmeistertitel. Mit der Kreidemaschine verwandelte Didi die Döhler Dorfstraße damals in ein Faustballfeld. Auf dem Höhepunkt seiner Popularität jedoch hatte er eine schwere Entscheidung zu treffen.
Ein hellblau-weißer Verein aus der Weltstadt mit dem großen Elbehafen sah in Didi den “Mittelmann mit Zukunft”, und nach intensiven Vorgesprächen am 30. Geburtstag (von Fiddi) fiel die Entscheidung beim Fegen am 30. Geburtstag (von Didi): Der Döhler Verleger wechselte nach Altona und stürzte manchen renommierten Turniergegner in Hannover, Hamm oder Widnau von einer Verlegenheit in die nächste.
Dass Didi nicht nur Bälle verlegen kann, sondern auch Rohre, Sanitärkeramik und wärmende Hohlkörper, stellt der Deutsche Faustballmeister als plietscher Handwerksmeister eindrucksvoll unter Beweis. Er soll schon Durchbrüche in fremde Schlafzimmer fabriziert haben, obwohl nur ein Waschbecken anzubringen war. Tropfende Heizkörper, trockene Toilettenspülungen, Dachrinnen an Neubauten – Didi ist stets zur Stelle. Selbst wenn Nachbarn ihn an ihre defekte Abwasserleitung zitieren und den Obermieter auffordern, ja nicht die Wasserspülung zu betätigen, bewahrt Didi die Ruhe eines sportlichen Verlegers, obwohl Haupthaar und Kopfplatte nach dem dritten Abwasserschwall aus dem Rohrsystem der Oberwohnung doch sehr zu leiden haben – die Folgen sind noch heute sichtbar.
Seine Gastfreundschaft ist sprichwörtlich und wird insbesondere bei Faustballturnieren durch einfallende Horden von gegnerischen Mannschaften arg auf die Probe gestellt: Schlafraum, Wohnzimmer, Abstellraum und Besenkammer werden zu Massenlagern, Spiegeleier glubbern sich auf dem Linoleum statt in die Pfanne, Abfall und gebrauchte Trikots landen mit akrobatischem Hecht in der Toilettenschüssel und Bierflaschenscherben im Kochtopf. Didi hält's gelassen aus.
Dennoch wurde Didi aus solchen Erfahrungen klug und verlegte seinen Wohnsitz ins faustballfreundliche Mannheim-Käfertal – natürlich in eine Oberwohnung. Dort ist er bei Turnieren eine Institution, bei Deutschen Meisterschaften eine Bank. Allerdings hat er die Seiten gewechselt und verwaltet heute eher die Getränkebude als das Mittelfeld des Faustballgrüns. Als Kulturmissionar hat er im Süden längst die ganztägige Anrede “Moin” flächendeckend eingeführt und seinen Kohl- und Pinkelschwerpunkt dorthin verlegt. Und nur wenn ihm als Antwort ein typisches Mannemer “Härr uff!” entgegenschnarrt, wird unser Verleger verlegen.
Im Urlaub treibt es ihn in die antike Welt hinaus: Dididi – gemeint sind Dieter und Dirk Rykena – brachen mit einem Sack “Döhler Kreide” im Gepäck gen Hellas auf, um auf der Athener Akropolis, in Delphi oder an einer anderen heiligen Stätte nach dem Vorbild der Döhler Dorfstraße ein Faustballfeld zu kreiden. Kurz vor Olympia gerieten sie in eine Verkehrskontrolle und fielen mit der Behauptung durch, bei dem weißen Pulver handle es sich um die Asche eines der größten Faustballer Norddeutschlands. Die Kreide wurde konfisziert, und der Plan scheiterte, noch bevor die Jungs Olympia erreichten. Sonst wäre unser Sport sicherlich schon damals olympisch geworden.
Längst also hat der achtfache Deutsche Meister und achtfache Vizemeister seine Ambitionen neben das Spielfeld verlegt, wo er mit ehemaligen Faustballgrößen aus Hochburgen wie Duisburg, Stuttgart, Offenburg, Hagen, Werste, Schluttenbach, Döhlen oder gar Ahlhorn alter Zeiten gedenkt, als Didi noch so manchen Ball verlegte. Vielleicht gründet er bald einen Verlag, der Faustballlektüre verlegt.

Schnarchen, Grillen, Knipsen oder Kuddeldaddeldu
Die Faustballbiographie des Kurt Peters

Einer der vielen blau-weißen Faustballbegleiter, die bis heute stets bei der Sache sind und deren Aktionsfeld eher neben als auf dem “Center Kurt” liegen, ist unser lieber Kameramann Kuddel. Max Hunger hat Stationen seines Lebens mit der runden Kugel festgehalten:

1979
Männer-DM in Itzehoe: Ulli Theile hat ihn zur DM chauffiert (Ulli und Kuddel waren Klassenkameraden vom Hauer Fritzi); danach mit Didi Westermann zur Jugend-DM nach Nordhorn; anschließend erste Teilnahme am ASV-Turnier als Grillmeister (1600 Bratwürste machte er oder machten ihn fertig); Jahre später: Fahrt zur DM nach Königsbrunn (“Peitschenknaller” und Misswahlen, ASV-Heike ohne Chance, Kuddel übernachtet im durchlässigen Zelt und wird zum begossenen Pudel)

1983
DM in Bocholt: Meistergriller mutiert zum Faustballfotografen mit 400-er Agfaklick Novoflex Pentagon Schnellschusssystem, Erinnerungen kreisen um spanische Gummiwand Fidi und Torsten (demoralisierte Pfungstädter im Halbfinale und Leverkusener im Endspiel: erstes DM-Gold der ASV-Männer); seither bekannt als furioser Faustball-Fotograf mit umfangreichem Archiv

1984
DM in Ahlhorn: Kuddel als Herr über zwei Riesengasgrills, die den Zuschauerangriffen hoffnungslos ausgeliefert waren, Wurstwahnsinn, Stromausfall (Steaks nach Gefühl, meist englisch), Endspiele hinter 1000 Rücken vergrillt und vom ASV-Doppelerfolg nichts gesehen, geschweige denn fotographiert; Jahre danach als Orga-Talent unentbehrlich: bei berühmt-berüchtigten “Ahlhorner Schluckturnieren” (Kassenschluckschlager: “Einschlucknemark, Zweischlucknemark, Dreischlucknemark”), Grillkonstrukteur für 40-Steak-Monstrum, blau-weißer Mülltonneningenieur, Abteilungsleiter des Versorgungsgeschwaders Ostmann, Theesfeld, Hamatschek (Pommes, Bratwurst, Steaks, Frikadellen)

1995
Senioren-DM in Ahlhorn: zwei Tage durchgegrillt, dabei fast durchgedreht; Pfingstturnier in Hamm: wegen nervtötender nasal-nächtlicher Nebengeräusche wie immer kleines Einzelzelt im Westentaschenformat dabei, das am Rande des Faustballareals ganz nah am Zoo aufgeschlagen wurde, wo die Löwen im Dunkeln wild, wütend sowie wahnsinnig wurden, am nächsten Morgen meckerte die gesamte Faustballfamilie über die nächtlichen Eskapaden der afrikanischen Raubkatzen, der wahre Schuldige blieb unbehelligt; bis heute gibt Kuddel – nicht nur aus diesem Grunde – gern einmal eine Runde fürs Stadion aus

Nomen est omen: Emerson Fiddipaldi
Über Friedhart Oltmann informiert Max Hunger

Schon seit geraumer Zeit denkt die Redaktion „Faustball in Ahlhorn“ darüber nach, in unregelmäßigen Abständen unter dem Motto „Wo sie blieben, was sie trieben“ über markante Persönlichkeiten unserer (Ahlhorner) Faustballszene zu berichten. Das hundertjährige Bestehen des Vereins ist wahrlich ein guter Grund, mit solch einer Serie zu beginnen. Was liegt also näher, als die spielfreie Zeit der Pandemie dafür zu nutzen, in der der Mangel an aktuellen Ereignissen dafür genügend Raum übrig lässt? Und wer sollte geeigneter sein, am Anfang einer hoffentlich langen Reihe solcher Beiträge gewürdigt zu werden, als unser Altabwehrass und Nationalspieler Friedhart Oltmann, der eine der vielen prägenden Figuren in einem Teil dieser hundert Jahre gewesen ist? Also auf in die neue Reihe „Wo sie blieben, was sie trieben“!

Sicher wird sich noch der eine oder andere an die Zeiten erinnern, in denen Emerson Fittipaldi in der Formel 1 zweimal Weltmeister wurde: Man schrieb die frühen 70er-Jahre. Im Oldenburger Land spielte damals ein junger Mann Faustball, der zwar nur einen klapperigen Opel Rekord mit dem Kennzeichen OL-UP 2 fuhr, aber nicht nur gefühlt zum schnellsten Hintermann seiner Liga avancierte. Er zeichnete sich durch ebenso spektakuläre wie berühmte Flugeinlagen aus, und sein Arbeitsfeld befand sich hinten links, reichte jedoch bis zum rechten Arm seines Schlagmanns, also praktisch bis zur Leine, nach vorn. Selbst wenn der Gegner den Hauer durch einen gezielten kurzen Ball auf dessen rechten Arm aus dem Spiel zu nehmen gedachte, kam Fiddi von hinten geflogen, um Fritz, den man in diesem Zusammenhang nur den Steher nannte, das Spielgerät vom Arm zu küssen. Gelang ihm dieses Wunder nicht, was höchst selten vorkam, so ließ der Steherhauer keinerlei Entschuldigung gelten, sondern machte seinen kleinen Wasserträger stante pede noch einen Kopf kleiner. Aber Fiddi kratzte ja alles!
Die Karriere des Kleinen begann in Großenkneten („grand massage“), wo Fiddi auch zur Schule ging und beim TSV das Faustballspielen erlernte. Dort hielt es ihn nicht lang, sondern zog ihn in die weite Welt: Er wechselte quer durch Deutschland und küterte in die damalige Faustballhochburg Döhlen, um 1974 erneut das Weite zu suchen, welches er in Ahlhorn fand, wo er die 1. Mannschaft verstärkte. Trotz seiner Verlässlichkeit und seines Fleißes klappte die Trainingsteilnahme nicht immer ganz glatt, denn bei gutem Wetter musste Fiddi in der elterlichen Landwirtschaft seinen Mann stehen. Da aber die Feldarbeit am Sonntag ruhte, fand Fiddi stets die Zeit, an Punktspieltagen „hinten dicht“ zu machen. Naturtalente, wie unser Fiddi eines darstellte, können durchaus ab und an auf eine Trainingseinheit verzichten.
Und Naturtalent besaß er reichlich: Selbst nach ausgedehnten Dorfdisconächten im „Döhler Krug“ krabbelte Fiddi nach drei Stunden Schlaf aus der Kiste und packte notdürftig die Sporttasche, nicht ohne mit konsequent boshafter Sturheit sein Haarwaschmittel zu vergessen. Ehrlich gesagt: Wofür hätte er dieses auch gebraucht? Pünktlich erschien er bei Auwärtsspieltagen zur Abfahrt auf Maler Meiners' Hinterhof, wo ihm Tante Erna jeden erdenklichen Daumen sowie ein Schnitzel in die Hand drückte, nicht ohne nach dem Umfang der vorangegangenen Nachtruhe zu fragen: „Wann seid ihr denn zu Bett gegangen?“ „Früh!“, lautete stereotyp die Antwort aller Aktiven.
Drei Stunden Fahrt – von 6.00 bis 9.00 Uhr – zum Regionalligaspieltag nach Dahlbruch waren zu bewältigen. Also quälten und zwängten, drückten und drängten sich fünf Faustballriesen mit ihren noch riesigeren Taschen – eine davon praktischer Weise um eine Flasche Shampoo leichter – in jenen besagten schwarzweißen Opel Rekord Kennzeichen OL-UP 2, und mit Fiddipaldi als Pilot ging das Ding ab wie Schmitz' Katze. So verliefen auch die Spiele: Mit vier Siegen aus vier Spielen kehrte unsere Erste – einer mit verschmitztem Haupthaar – in die Oldenburgische Faustballmetropole zurück, und der Erfolg gab Tante Erna recht: „Gut, dass ihr frühzeitig schlafen gegangen seid.“
Mit Ahlhorns Aufstieg in die Bundesliga kam die Kunde von Fiddis Talent auch schnell dem Bundestrainer zu Ohren, der ihn prompt zum Sichtungslehrgang einlud. Aber just am besagten Wochenende waren Sonnenschein und Ernteeinsatz angesagt, Fiddi war drauf und dran, seine Lehrgangsteilnahme abzusagen, und hätte wohl nie den Adler auf der Brust getragen. Doch sein zweitbester Kumpel sprang auf der Stelle ein und brachte an Fiddis Stelle den Hageler Hafer in die Scheune.
Im selben Jahr noch wurde Friedhart mit der deutschen Nationalmannschaft Vizeeuropameister und der Hagel bereitete ihm einen grandiosen Empfang. Was folgte, waren mehrere DM-Titel, darunter die beiden sagenhaften Goldmedaillen in der offenen Männerklasse (1983 in Bocholt und 1984 gemeinsam mit den Frauen des ASV vor eigenem Publikum) und der Sieg bei den World Games 1985 in London. Auch in der Altersklasse kam kaum jemand an Fiddi vorbei: Deutscher Meister M30 1989, M40 1995, 1998 sowie 2001 (doppelter Titel in Halle und Feld).
Anschließend wurde es ruhiger um den schnellen, gewandten Routinier, ihn plagten nicht nur gesundheitliche Sorgen, und Emerson Fiddipaldi parkte sich und sein Fahrzeug endgültig im Kreis der anderen Oldies. Aber noch immer findet man Fiddi regelmäßig auf den Tribünen der Faustballarenen in Ahlhorn und Brettorf, wo er die ASV-Leistungsmannschaften unterstützt und Smalltalk mit etlichen Altvorderen der Faustballszene hält; denn da die Faustballer eine große Familie darstellen, trifft man auf jeder Faustballanlage dieser Welt immer wieder Bekannte – und Fiddi ist unter ihnen.

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